Montag, 20. Dezember 2010

eine recht persönliche weihnachtsgeschichte.

Es begab sich zur kalten Winterszeit, die Schneeflocken vor dem Fenster tanzten munter ihren Reigen, als in einem recht beschaulichen Städtchen an einem ebenfalls recht beschaulichen Flüsschen names Ruhr eine mittelalte Ex-Jungfer ihr von Schnupfen geplagtes Näslein geräuschvoll schnaubte und sich die müden und einigermaßen angeschwollenen Äuglein rieb.

Plötzlich ertönte ein lautes Geräusch - es ward der böse Störenfried, der Telefon gerufen wird. Und ehe sie sich versah, und dem Störenfried eindeutig mutig, aber relativ heiser ihren Namen entgegenwarf, sprach eine vertraute Stimme freundlich auf die Ex-Jungfer ein. Sie vernahm die Worte der männlichen Fee, wurde aber aus den geballten Informationen nicht ganz schlau. Aus diesem Grund hub sie an und erinnerte den Boten an die vielen Bakterien und Viren, die ihr Unwesen deutlich hörbar in ihrem Körper trieben, bat um Verständnis - und um Aufklärung. Dies geschah und die Worte des holden Boten verhießen freudvolle Neuigkeiten, die in ihrer Gesamtheit schöner und interessanter kaum sein konnten.

Eile ward geboten und der Ex-Jungfer recht schnell klar, sie müsse den edlen Verlagsjunker schleunigst anrufen und ihr vehementes Interesse an der dargebotenen Köstlichkeit bekunden - selbst wenn Artikulationsfähigkeit und Denkkapazität krankheitsbedingt eingeschränkt seien. Der Junker erwies sich als mitfühlender und freundlicher Zeitgenosse voller spannender Ideen, die den Geist der Ex-Jungfer erstaunlich anregten und ihre Gesamtheit uneingeschränkt begeisterte.

Aber oh weh, eine Idee musste her, um dem Junker anspruchsvoll und erhaben ihre Würdigkeit zu beweisen. Und all dies in dem erbarmungswürdigen Zustand, in dem sich die Ex-Jungfer befand. Das Thema kannte sie schließlich von den germanischen Wurzeln über die Völkerwanderungszeit, das Mittelalter, den Sturm und Drang bis zur letzten Rechtschreibreform, deren Änderungen momentan teilweise rückgängig gemacht werden sollten.

Wäre der Einfluss der Online-Kommunikation auf das geschriebene Wort ein Vorschlag, der den Junker erfreuen würde? Was ist eigentlich gutes Deutsch? Und was Sprachstil oder guter Stil? Korrekte Rechtschreibung oder angemessene Etikette? Die Ex-Jungfer zog das Näslein kraus, denn eigentlich könnte sie endlose Essays und Bücher zu dem Thema schreiben und nun sollte sie ihr gesammeltes Wissen und ihre ambivalenten Meinungen in einem klitzekleinen Text zusammenfassen?

Die Ablehnung der gängigen und so gerne genutzten Anglizismen wurde schnell von ihr verworfen, da in jedem Turmzimmer und jedem Kerker schon so viel darüber geredet wurde. Ebenso fallen ließ sie der Deppen-Apostroph, das muntere Auslassungszeichen oder neckische Häkchen, mit dem man den Ausfall eines Lautes oder einer Silbe kennzeichnen kann - oder eben auch nicht. Der Imperativ, der in der heimatlichen Gegend der Ex-Jungfer ein Fremdwort ist, wäre ein Argument, das anschaulich und ausführlich dargestellt werden könnte. Oder vielleicht doch der aussterbende Genitiv - der Kinder wegen? Gegebenenfalls könnte sie generell über die Möglichkeiten von Sprache deklamieren? Die Veränderungen der Sprache im Laufe der Jahrhunderte und warum Goethe und Kafka sicherlich Twitter nutzen würden? Oder die Etymologie des Wortes Sprache, die uns ins Mittelalter führt und eigentlich den Vorgang des Sprechens und das Vermögen zu sprechen beschreibt? Stilsünden wie Euphemismen, Schachtelsätze und Klischees wären ein ebenso reizvolles Thema wie Metaphern, die Worten Lebendigkeit einhauchen oder sie erschlagen können. 

Und so verging das vermaledeite Wochenende nur allzu rasch, die Ex-Jungfer putzte ihr rotes Näselein erneut und hoffte, der edle Junker würde sie erhören. Außerdem wart betteln noch nie ihr Ding.

wortfeilchen

PS. Ähnlichkeiten zu lebenden Personen und Orten sind halbwegs willkürlich und können sporadisch auftreten.