Montag, 27. April 2015

sprechen wir es aus: deutsche dialekte und deutsche hochsprache.

Dialekt ist angesagt, zumindest als Thema: Neben dem Test namens Moin, Grüezi, Servus - wie wir wo sprechen, der überraschend zielgenau ist, finden sich immer wieder Artikel, die auf den Verfall und das Aussterben der Dialekte hinweisen. Heute hat Spiegel Online wieder einen rausgehauen, der mich zum Nachdenken bringt. Es geht um das Image von Dialekten und Dialektsprechern - und den Umgang mit dem heimischen Dialekt

Ich tue mich schwer, eine Variante zu bevorzugen, für mich dürfen, können und sollen beide nebeneinander existieren. Es ist schön und gut, wenn man beide beherrscht, den lokalen Dialekt und die Hochsprache. Was mich irritiert, ist die Bevorzugung und Betonung einer Seite, sie gehören zusammen, sind sie doch lediglich Variationen oder Ausprägungen. 

Die Realität weicht oft von meiner Sichtweise ab: Während in Deutschland Dialektsprecher als dumm oder ungebildeter angesehen werden, sieht es in der Schweiz und in Österreich anders aus, denn dort wird die eigene Identität, das Wohlfühlgefühl, die Verbundenheit untereinander und mit der Heimat sehr stark mit dem eigenen Dialekt in Verbindung gebracht. Meinetwegen, wenn es nicht in Patriotismus und Nationalismus ausartet – und andere ausgrenzt.  

Die Koexistenz von Dialekt und Hochsprache scheint schwierig zu sein. Hochsprache wird schon einmal als blasiert, hart oder auch direkt angesehen, während der heimische Dialekt bevorzugt und gestreichelt wird. Dabei wird gerne vergessen, dass das sogenannte Schriftdeutsch doch auch die Mutter- oder Vatersprache ist und vornehmlich einem Sinn und Zweck dient: der Verständigung, dem Austausch und dem Miteinander. Und das funktioniert sehr viel leichter, wenn es einen gemeinsamen Nenner gibt, der in diesem Fall für Deutschland, Österreich und die Schweiz wie am Schnürchen laufen könnte. 

Könnte, weil es leider nicht immer so ist, wie der Artikel vorgibt: Nicht alle Dialektsprecher sind ungemein versiert, weil mehrsprachig, und beherrschen Hochsprache und Dialekt. Eigentlich logisch, denn eine Sprache fluppt nicht so reibungslos, wenn ich sie nicht benutze und sie mir fremd, ungewohnt und unbehaglich ist. Dann fehlen Worte und Wörter, Redewendungen klingen unbekannt und die Sprachmelodie mutet hölzern an. Und dann passiert das, was passieren kann: Die Verständigung klemmt, betretenes Schweigen trifft auf und wir tun uns schwer mit- und untereinander. Da wäre es doch besser, einfach zwischen Dialekt und Standardsprache hin- und herschalten zu können, oder? 

Immer wieder lese und höre ich den Vorwurf, die deutschen Dialekte sterben aus. Ist es so? Und wenn, ist es unbedingt schlecht? Es gibt eine andere Seite zu bedenken: Dialektsprecher, die sich vehement und bedingungslos für die eigenen, lokalen Sprachgewohnheiten einsetzen, wollen sich oft gar nicht austauschen, sie wollen sich meist lieber auf sicherem Terrain bewegen oder meist gar nicht bewegen oder verändern. Die anderen, fremden, neuen, nicht seit dem Mittelalter im Ort ansässigen Menschen sollen sich nämlich bewegen, sie sollen sich anpassen, besser noch assimilieren – und sprachlich dazugehören, weil dann die Welt in Ordnung ist. 

Eigene Sprachmerkmale, liebgewonnene Ausdrucksweisen, einseitige Sichtweisen sind wichtiger als die der anderen, die gehören unter den Teppich und sollen die Klappe halten. Daraus entsteht eine selbstgewählte Isolation, die nicht auf Veränderung, Bewegung und Kommunikation abzielt, man bleibt unter sich, alles bleibt so, wie es ist, und gut ist. Das ist der Preis, wenn keine Offenheit vorhanden ist und die gemeinsame Basis an der Nasespitze endet. Oder Hochsprache und Dialekt dürfen neben- und miteinander sein - das wäre eine Alternative, eine Möglichkeit, die alle berücksichtigt.

In Deutschland bekommen wir von Geburt an eingetrichtert, Hochdeutsch ist die Bildungssprache und wer nur und fast nur Dialekt spricht, versaut sich Chancen auf höhere Bildung, sozialen Aufstieg, bessere Berufswahl und variable Arbeitsplätze. Ergo lernen wir zu Hause (immer im Rahmen der Möglichkeiten) Hochdeutsch, sprechen im Kindergarten Hochdeutsch und in der Schule auch – alles im Bewusstsein, der Dialekt hat seine Existenzberechtigung, aber er gehört in die Freizeit oder an den Stammtisch. 

Das klingt für Österreicher und Schweizer vielleicht dogmatisch, ist es aber nur, wenn eine Variante bevorzugt wird und nicht beide gleichberechtigt nebeneinander sein dürfen. Denn üblicherweise können sich Ostfriesen, Sachsen und Bayern miteinander austauschen und reden, alle lernen und beherrschen mehr oder weniger eine Sprache, die sie unter einem Label eint – Hochdeutsch, mit zuweilen charmanten Einsprengseln des eigenen Lokalkolorits. 

Es geht auch anders: Nehmen wir die Schweiz, wo der Dialekt gerne mal gepriesen wird und das Schriftdeutsche zuweilen als Bühnendeutsch abgetan und vermieden wird. So klein die Schweiz erscheinen mag, sie ist reich an Dialekten, die alle paar Kilometer wechseln. Das weiß man, kennt man, akzeptiert man und spricht miteinander. Dort lernt man meist ausschließlich Dialekt, mit 5 oder 6 Jahren kommt man üblicherweise und je nach Kanton für 1 oder 2 Jahre in die erste Klasse, den Kindergarten. Dort, und manchmal auch erst später, wird Deutsch als Schriftsprache gelernt, wie in deutschen Gefilden Englisch oder Französisch. Im Ergebnis wird die deutsche Hochsprache, die eine der 4 Landessprachen ist, als Fremdsprache empfunden und gelehrt. Das bringt oftmals eine Abneigung gegen die fremde Sprache, die im großen Kanton im Norden gesprochen wird, mit sich: Missverständnisse tauchen in der Kommunikation auf, unüberwindbare Barrieren ergeben sich. Schade, denn wir und die Deutschschweizer haben doch eine gemeinsame Basis. Wir könnten miteinander und nebeneinander, auch sprachlich.

Und jetzt mal ehrlich: Wir handeln global, reisen durch und in alle Länder der Welt, aber geht es um die eigene Sprache, die alltägliche oder schriftliche, dann handeln wir regional, lokal und sind auf einmal ganz klein. 

Warum nur schränken wir uns ein, bauen Grenzen auf und machen uns gegenseitig Vorschriften? Weil das Fremde fremd ist und heimatliche Klänge Zuhause sind? Warum bereichern wir uns nicht, indem wir Möglichkeiten nutzen, statt sie verbauen? 

Und wenn wir untereinander, also zwischen den einzelnen deutschen Dialektgebieten schon keinen gemeinsamen Nenner finden und nutzen wollen oder können, den die deutsche Hochsprache bietet, und jeder auf seinem Recht und Vorrang beharrt, wie, ja wie eigentlich, wollen, können und sollen wir das mit Besuchern, Gästen, Freunden, Familienmitgliedern, Kulturen, Mentalitäten und Hilfsbedürftigen aus anderen Ländern hinkriegen?

Dienstag, 14. April 2015

kurze texte sind billiger.

Nein, ich möchte mich nicht beschweren, niemanden anprangern, sondern eher ein oder zwei Dinge klarstellen, die mir schon länger auf dem Herzen liegen. Es geht um Texte und die Menschen, die sie schreiben. Einzigartige Texte, individuelle Texte, Content-Texte, Marketing-Texte, Texte, die Suchmaschinen gefallen, Texte, die gut zu lesen und informativ sind. Texte für Blogbeiträge, Pressemitteilungen, Webseiten, Broschüren, Kundenzeitschriften - kurz: Fast alles, was wir lesen, hat jemand geschrieben, der damit ihr und sein Geld verdient und davon lebt. Manche besser, manche schlechter. Also, leben, obwohl das mit dem Schreiben ... nun ja. 

Immerhin, und das schreibe ich bewusst, ist den meisten Menschen klar, dass Texte einen Sinn haben. Über die Qualität von Texten und den Anspruch an Texte könnten wir streiten, da gibt es viele Meinungen, und nicht zuletzt geht es um dem Preis, den Menschen, Kunden und Auftraggeber zu zahlen bereit sind. Sie vertreten manchmal die Meinung, schreiben kann jeder, also ist es keine Kunst, kein Handwerk, kein Talent und auch keine Erfahrung oder Wissen - und dementsprechend günstig sind die Ergebnisse. Das Schreiben liegt uns wohl im Blut, im Land der Dichter und Denker. 

Und nun kommen doch wieder all die schreibenden Menschen ins Spiel: Es beginnt mit der Tatsache, dass Texter kein geschützter Beruf ist. Jeder, der irgendwann einmal irgendwo etwas veröffentlicht hat, kann sich Texter nennen. Das heißt, wenn Tante Klara meinen Aufsatz über Blumen und Bienen in der 8. Klasse so gelungen fand und ich mich berufen fühle, tja, dann bin ich halt Texter und schreibe munter los. Habe ich einen lustigen Kommentar für die Abi-Zeitung verfasst, agiere als Leserreporter des lokalen Käseblättchens, habe einen VHS-Kurs besucht, betreibe ein Blog oder habe ein Buch im Selbstverlag veröffentlicht - schwupps, gehöre ich zur schreibenden Zunft. Ganz schön einfach, nicht? 

Dementsprechend viele Texter und Texterinnen lassen sich finden. Einen Überblick zu bekommen, das ist für Laien recht schwer, schließlich werden wir von Texten dermaßen überschüttet, dass es schwierig erscheint, einen guten von einem schlechten Text zu unterscheiden. Doch, es geht schon: Massenware langweilt, informiert nicht, benutzt Phrasen und leere Floskeln, strotzt vor Fehlern und macht schlicht keinen Spaß. 

Und dann ist da noch der Preis: Ein guter Text ist nicht billig, vielleicht annähernd günstig, aber niemals billig. Und den Preis kann fast jeder beurteilen, indem er rechnet: Wie soll jemand von einem Stundensatz leben, der unter dem Mindestlohn liegt? Sehr schlecht, da bin ich mir sicher. Und warum sollte jemand motiviert, engagiert und kompetent für den Preis einer Tasse Kaffee schreiben? Warum sollte ich meine Fähigkeiten, meine Erfahrung und meine Zeit einsetzen, wenn es sich nicht wenigstens auch finanziell ein wenig lohnt? 

Die meisten Agenturen wissen das, verhandeln zwar gerne, wissen aber genau, wenn sie hochwertige Texte haben möchten, kostet das Geld und lohnt sich. Schließlich bringen die Texte ihren Kunden später Geld und darum geht es doch. Um so erstaunlicher sind Anfragen, die immer mal wieder bei mir eintreffen und zuweilen Empörung auslösen, weil ich eben nicht für 20 oder 30 Euro die Stunde zu haben bin, nicht für 100 Euro eine komplette Webseite betexte und auch keinen Fachbeitrag für 80 Euro schreiben möchte. Solche Anfragen kommen meist von kleineren oder mittleren Unternehmen, Einzelkämpfern oder Menschen, die es eigentlich besser wissen sollten. Sie arbeiten auch nicht unter ihrem Preis, möchten aber möglichst viel Gewinn einstreichen, weshalb der Text, das Design, das Layout oder das Foto so wenig wie möglich oder besser gar nichts kosten sollen. 

Neben der Entrüstung, die mir manchmal entgegenschlägt, wiederholen sich die Aussagen: Es ist doch nur ein kurzer Text, den tippen Sie schnell runter, der kann doch nicht mehr als eine Handvoll Euro kosten. Machen Sie mal eben, der Text könnte längst fertig sein! Vielleicht haben Sie noch einen Text rumliegen, der tut es für mich. Und ganz besonders schön: Wenn der Text toll ist, bekommen sie ganz viele Aufträge von mir/uns und dann lohnt sich das doch! 

Totschlagargumente, und etwas anderes sind solche Aussagen nicht, halte ich grundsätzlich für dumme Manipulationsversuche, hilflose Akte und vielleicht noch Machtgehabe, aber ernst nehme ich sie nicht. Ich erkläre nicht mehr, warum gerade Überschriften (und auch Headlines, Sublines etc.) und kurze Texte sehr viel Zeit, Arbeit und Können erfordern. Geiz ist geil ist vielleicht ein ziemlich blödes Beispiel, aber wenn es nicht gerade ein Zufallsprodukt war, haben diese drei kleinen Wörter eine Agentur und/oder einen Texter recht lange beschäftigt und (hoffentlich) auch ziemlich viel Geld eingebracht. Das Teil dudelte immerhin überall rauf und runter und hat dem Unternehmen bestimmt beneidenswerte Umsätze beschert. 

Ich könnte solche Anfragen getrost ignorieren, sie lakonisch löschen, wenn sie per Mail kommen, es ändert aber an der Sache nichts und sie kommen dennoch immer wieder. Wie also damit umgehen? 

Und es bleibt die Frage, warum Texterinnen und Texter auf solche Angebote eingehen und sich maßlos unter Wert verkaufen? Verzweiflung? Not? Anerkennung? Ihr Lieben, Ihr macht Euch den Markt selbst kaputt und lebt dazu noch von 20 Euro am Tag, denn mehr verdient Ihr nicht an dem Auftrag und werdet es auch in Zukunft nicht tun. 

Ich muss Euch nicht erklären, dass Eure Krankenkasse und Rente bezahlt werden möchten, die Miete und das Essen auch und von Arbeitsmitteln wie Telefonanschluss, PC, Laptop gar nicht zu reden. Wohnt Ihr alle im Keller Eurer Eltern oder habt Ihr einen Partner, der für Euch sorgt und schreibt Ihr nur zur Selbstverwirklichung? Und wie fühlt Ihr Euch so als Fließbandarbeiter? Entrüstet Ihr Euch auch ausreichend über böse Kunden, die Euch darben lassen? Tja, dann bekommen ein paar von Euch auch das, was sie verdienen. Nämlich, kurze Texe sind billiger.