Nein, ich möchte mich nicht beschweren, niemanden anprangern, sondern eher ein oder zwei Dinge klarstellen, die mir schon länger auf dem Herzen liegen. Es geht um Texte und die Menschen, die sie schreiben. Einzigartige Texte, individuelle Texte, Content-Texte, Marketing-Texte, Texte, die Suchmaschinen gefallen, Texte, die gut zu lesen und informativ sind. Texte für Blogbeiträge, Pressemitteilungen, Webseiten, Broschüren, Kundenzeitschriften - kurz: Fast alles, was wir lesen, hat jemand geschrieben, der damit ihr und sein Geld verdient und davon lebt. Manche besser, manche schlechter. Also, leben, obwohl das mit dem Schreiben ... nun ja.
Immerhin, und das schreibe ich bewusst, ist den meisten Menschen klar, dass Texte einen Sinn haben. Über die Qualität von Texten und den Anspruch an Texte könnten wir streiten, da gibt es viele Meinungen, und nicht zuletzt geht es um dem Preis, den Menschen, Kunden und Auftraggeber zu zahlen bereit sind. Sie vertreten manchmal die Meinung, schreiben kann jeder, also ist es keine Kunst, kein Handwerk, kein Talent und auch keine Erfahrung oder Wissen - und dementsprechend günstig sind die Ergebnisse. Das Schreiben liegt uns wohl im Blut, im Land der Dichter und Denker.
Und nun kommen doch wieder all die schreibenden Menschen ins Spiel:
Es beginnt mit der Tatsache, dass Texter kein geschützter Beruf ist. Jeder, der irgendwann einmal irgendwo etwas veröffentlicht hat, kann sich Texter nennen. Das heißt, wenn Tante Klara meinen Aufsatz über Blumen und Bienen in der 8. Klasse so gelungen fand und ich mich berufen fühle, tja, dann bin ich halt Texter und schreibe munter los. Habe ich einen lustigen Kommentar für die Abi-Zeitung verfasst, agiere als Leserreporter des lokalen Käseblättchens, habe einen VHS-Kurs besucht, betreibe ein Blog oder habe ein Buch im Selbstverlag veröffentlicht - schwupps, gehöre ich zur schreibenden Zunft. Ganz schön einfach, nicht?
Dementsprechend viele Texter und Texterinnen lassen sich finden. Einen Überblick zu bekommen, das ist für Laien recht schwer, schließlich werden wir von Texten dermaßen überschüttet, dass es schwierig erscheint, einen guten von einem schlechten Text zu unterscheiden. Doch, es geht schon: Massenware langweilt, informiert nicht, benutzt Phrasen und leere Floskeln, strotzt vor Fehlern und macht schlicht keinen Spaß.
Und dann ist da noch der Preis: Ein guter Text ist nicht billig, vielleicht annähernd günstig, aber niemals billig. Und den Preis kann fast jeder beurteilen, indem er rechnet: Wie soll jemand von einem Stundensatz leben, der unter dem Mindestlohn liegt? Sehr schlecht, da bin ich mir sicher. Und warum sollte jemand motiviert, engagiert und kompetent für den Preis einer Tasse Kaffee schreiben? Warum sollte ich meine Fähigkeiten, meine Erfahrung und meine Zeit einsetzen, wenn es sich nicht wenigstens auch finanziell ein wenig lohnt?
Die meisten Agenturen wissen das, verhandeln zwar gerne, wissen aber genau, wenn sie hochwertige Texte haben möchten, kostet das Geld und lohnt sich. Schließlich bringen die Texte ihren Kunden später Geld und darum geht es doch. Um so erstaunlicher sind Anfragen, die immer mal wieder bei mir eintreffen und zuweilen Empörung auslösen, weil ich eben nicht für 20 oder 30 Euro die Stunde zu haben bin, nicht für 100 Euro eine komplette Webseite betexte und auch keinen Fachbeitrag für 80 Euro schreiben möchte. Solche Anfragen kommen meist von kleineren oder mittleren Unternehmen, Einzelkämpfern oder Menschen, die es eigentlich besser wissen sollten. Sie arbeiten auch nicht unter ihrem Preis, möchten aber möglichst viel Gewinn einstreichen, weshalb der Text, das Design, das Layout oder das Foto so wenig wie möglich oder besser gar nichts kosten sollen.
Neben der Entrüstung, die mir manchmal entgegenschlägt, wiederholen sich die Aussagen: Es ist doch nur ein kurzer Text, den tippen Sie schnell runter, der kann doch nicht mehr als eine Handvoll Euro kosten. Machen Sie mal eben, der Text könnte längst fertig sein! Vielleicht haben Sie noch einen Text rumliegen, der tut es für mich. Und ganz besonders schön: Wenn der Text toll ist, bekommen sie ganz viele Aufträge von mir/uns und dann lohnt sich das doch!
Totschlagargumente, und etwas anderes sind solche Aussagen nicht, halte ich grundsätzlich für dumme Manipulationsversuche, hilflose Akte und vielleicht noch Machtgehabe, aber ernst nehme ich sie nicht. Ich erkläre nicht mehr, warum gerade Überschriften (und auch Headlines, Sublines etc.) und kurze Texte sehr viel Zeit, Arbeit und Können erfordern. Geiz ist geil ist vielleicht ein ziemlich blödes Beispiel, aber wenn es nicht gerade ein Zufallsprodukt war, haben diese drei kleinen Wörter eine Agentur und/oder einen Texter recht lange beschäftigt und (hoffentlich) auch ziemlich viel Geld eingebracht. Das Teil dudelte immerhin überall rauf und runter und hat dem Unternehmen bestimmt beneidenswerte Umsätze beschert.
Ich könnte solche Anfragen getrost ignorieren, sie lakonisch löschen, wenn sie per Mail kommen, es ändert aber an der Sache nichts und sie kommen dennoch immer wieder. Wie also damit umgehen?
Und es bleibt die Frage, warum Texterinnen und Texter auf solche Angebote eingehen und sich maßlos unter Wert verkaufen? Verzweiflung? Not? Anerkennung? Ihr Lieben, Ihr macht Euch den Markt selbst kaputt und lebt dazu noch von 20 Euro am Tag, denn mehr verdient Ihr nicht an dem Auftrag und werdet es auch in Zukunft nicht tun.
Ich muss Euch nicht erklären, dass Eure Krankenkasse und Rente bezahlt werden möchten, die Miete und das Essen auch und von Arbeitsmitteln wie Telefonanschluss, PC, Laptop gar nicht zu reden. Wohnt Ihr alle im Keller Eurer Eltern oder habt Ihr einen Partner, der für Euch sorgt und schreibt Ihr nur zur Selbstverwirklichung? Und wie fühlt Ihr Euch so als Fließbandarbeiter? Entrüstet Ihr Euch auch ausreichend über böse Kunden, die Euch darben lassen? Tja, dann bekommen ein paar von Euch auch das, was sie verdienen. Nämlich, kurze Texe sind billiger.