Wer mich kennt, weiß, ich bin umtriebig und holistisch. Oder andersrum: Ich bin vielseitig und nachhaltig. Das gilt beruflich und privat. Und für Kleidung, die nur an meinen Körper und in meinen Schrank kommt, wenn sie nicht aus Polyester, Mikrofaser und Plastik besteht. Also stricke ich; zum Beispiel Socken und Strümpfe.
|
Foto: pixabay |
Gerne würde ich einen Pullover für den weltwunderbesten Mann stricken. Natürlich aus reiner Wolle, von der ich weiß, woher sie kommt, wie sie gefärbt wird und wer sie verarbeitet.
Wenn diese Hürden genommen sind – was durchaus nicht so einfach ist, wie es scheint – wird es nicht unbedingt leichter, schließlich stellt mein Mann berechtigte Wünsche an seinen Pulli: Die Wolle soll nicht mit Zusätzen versetzt, dick, kratzig und einfarbig schwarz oder anthrazit sein.
|
Foto: pixabay |
In einer lauen Sommernacht des Jahres 1815 bereitet der französische Maître Marie-Antoine Carême in der Küche eines feudalen Hauses in Paris einige seiner berühmten Delikatessen zu. Napoleon Bonapartes Niederlage bei Waterloo liegt 3 Wochen zurück, der selbstgekrönte Kaiser ist längst auf die Insel Elba verbannt, das Volk ist unruhig und zieht wütend durch die Straßen der französischen Hauptstadt. Das Wetter - es ist schwül, die Luft schwer - taugt nicht, um den Mob zu besänftigen.
Carême ist für einige Wochen in den (ehemaligen) Pariser Palast Napoleons zurückgekehrt und kocht ein exquisites Menü für zwei Personen: Außenminister Charles-Maurice de Talleyrand, der gerade die Bourbonen auf den Wiener Kongress vertreten und dabei geschickt günstige Bedingungen für Frankreich ausgehandelt hat, und Polizeiminister Joseph Fouché. Diese beiden hatten die Geschicke des Landes seit der Revolution in der Hand und wollen heute über die Zukunft der Nation entscheiden. Die Frage lautet: Monarchie oder Rückkehr Napoleons?
Die Diener stecken noch in den Vorbereitungen für das Treffen, während sich Fouchés Kutsche ihren Weg durch aufgeregte Menschenansammlungen bahnt. Fouché denkt opportunistisch: Während er auf der einen Seite eine mögliche Rückkehr Napoleons plant, kommt er gerade aus Gent, wo er mit Ludwig XVIII. und Metternich konspirierte, falls die Rückkehr Napoleons nicht glücken würde oder nicht von langer Dauer wäre. Unruhe herrscht im Volk, mit Fackeln und Stöcken bewaffnet streifen sie durch die Straßen und Gassen, immer auf der Suche nach einem Verantwortlichen. Die Kutsche holpert über das grobe Kopfsteinpflaster, der Kutscher treibt seine Pferde durch die marodierenden Massen und intoniert energisch Üüü Üüü!
Welch Pathos! Die dramatische Situation ist hin! Die aufgeladene Atmosphäre verpufft! Ich schaue erstaunt auf – und lache. Der spannende Filmanfang, den ich eben beschrieben habe, wandelt sich für mich in ausuferndes Kichern. Natürlich klingt es nur so, die französische Sprache schreibt Hue und nicht Üüü.
Warum rufen Franzosen ihren Pferden Hü zu? Auf zur Suche!