Mittwoch, 24. Februar 2016

zögern, zaudern, socken stricken.

In der Grundschule lernte ich, wie alle Mädchen damals, sticken, stricken, häkeln. Also, ich sollte das lernen, von wollen war nie die Rede, gefragt wurde auch niemand, das macht man halt so. So lautete der Plan, bzw. der meiner Grundschullehrerin, humorvoller Haudegen der alten Garde. 

Die Sache mit dem Sticken, Häkeln und Stricken stand nun also an. Im Handarbeitsunterricht. Frohen Mutes ging es los – und schief. Das Problem, dessen ich mir in keinster Weise bewusst war? Ich war und bin Linkshänderin. Die einzige Linkshänderin weit und breit und vor allem in der Klasse. Gefühlt im kompletten Universum, denn was ich zustande brachte war alles, aber nicht schön und schon gar nicht das, was die anderen hinbekamen oder die Lehrerin wollte. Ich versuchte es. Das Ergebnis? Knoten, viel zu lockere Maschen, unglaublich stramme Maschen, trapezförmige Topflappen, schief umstrickte Kleiderbügel und traurig anmutende Teddybären. 

Meine Lehrerin versuchte es mit stoischem Druck und gnadenloser Härte. Das muss so und das geht so. Mit rechts. Punkt. Es ging nicht. Ich verstand einfach nicht, was mir da vermittelt werden sollte, ich konnte es nicht umsetzen und sie es mir nicht zeigen. Andere hatten Mütter, Tanten, Omas, die es ihnen zeigten konnten, ich war ziemlich allein auf weiter Flur und tanzte aus der Reihe. Ich verstand nichts und irgendwann wollte ich auch nicht mehr. Also, stricken und häkeln. 

Meine Tanten und Omas zuckten mit den Schultern, aber meine Mutter, reichlich brutal umtrainierte Ex-Linkshänderin, war tapfer: Sie, die mit rechts häkeln, sticken und stricken konnte, übte jeden Abend, wie die Abläufe mit der linken Hand zu bewerkstelligen sein könnten. Erst allein, dann mit mir. Und siehe da, ich biss mich durch, ich strickte (halbwegs entzückende) Teddybären, häkelte (weiterhin ziemlich schiefe) Topflappen und bestickte Taschentücher. Mit links. Nicht sonderlich schnell, von außen merkwürdig anzusehen und mit mäßigem Erfolg, aber ich tat es und die Ergebnisse musste sogar meine Grundschullehrerin zähneknirschend akzeptieren. Lob bekamen die anderen, gute Noten auch.

Diese Erfahrungen hingen mir in den Knochen. So sehr, dass ich die nächsten 35 Jahre keine Wolle mehr in die Hand nahm. Nähen, Nähmaschine – alles gut, aber einen Pullover häkeln oder Socken stricken? Niemals! Nicht einmal einen Schal! Schon bei dem Gedanken wurde mir schlecht und brach mir der Angstschweiß aus. 

Bis vor ein oder zwei Jahren. Da wollte ich Wollsocken. Nicht aus Polyester, Polyamid und sonstigen künstlichen Materialien. Ich wollte Wollsocken. Reine Naturwolle. Weich, warm und natürlich. Gibt es nicht, kriegen wir nicht, nehmen Sie doch was da ist, was Sie wollen, will keiner – kurz: Es gibt keine Wollsocken, die mir gefallen. Lediglich Mischgewebe, schreckliche Farben, merkwürdige Muster. 

Und nun? Socken stricken? Mit 5 Nadeln und dann noch Fersen stricken? Das schaffe ich nicht. Das kann ich nicht. Das Kindheitstrauma verfolgte mich. Ich war blockiert, fast schon ein bisschen verzweifelt. Das Vertrauen in meine Fähigkeiten war kaum bis gar nicht vorhanden. Aber ich wollte Wollsocken. Und ich gebe nicht auf. Niemals. Ich kann alles lernen. Oder zumindest versuchen. Das kann doch nicht so schwer sein! Hallo? Ich habe schon ganz andere Sachen gelernt und geschafft! 

Ich suchte, fragte und schaute mich um. Das Internet, eine Quell des Wissens, war mehr als hilfreich. Denn da war er plötzlich, der Weg, wie ich mit einer Rundstricknadel zwei Socken nicht nur gleichzeitig, sondern auch passend und inklusive Ferse stricken konnte. Aus reiner Wolle. 


Auch wenn es vielleicht nur Socken sind, die ich nun stricken kann, beweisen genau diese schlichten, einfachen Wollsocken eines: 

Mach doch einfach. Lauf nicht weg. Lauf drumherum. Nimm Umwege, aber gib nicht auf. Niemals. Such Dir Deinen Weg. Es gibt nämlich nie nur einen. Es gibt Möglichkeiten. Und wenn etwas für mich und zu mir nicht passt, heißt das noch lange nicht, ich bin unfähig oder blöd. Es bedeutet nur, da ist mehr. Und es gibt immer einen Weg. Und es muss nicht immer der sein, den alle nehmen.