Donnerstag, 7. April 2016

malbücher für erwachsene: linientreue affirmation.

Trends zu folgen ist mir fremd. Woran das liegt, dazu können Theorien bemüht und mir wilde Ideen um die Ohren gehauen werden. Was alle gerade und jetzt machen, oder demnächst machen wollen, sollen, werden und können, nun, das geht an mir vorbei. Daher ist es keine Überraschung, dass ich erst in den letzten Wochen auf ein Phänomen stieß, das mich weiterhin erstaunt: 

Verlage jubilieren, Schreibwarenhändler (so es sie noch gibt) wundern sich über leere Regale und Stifthersteller machen Überstunden - Malbücher für Erwachsene sind der Grund. Natürlich hat der Trend nicht einen so banalen Namen, Adult Coloring lautet die korrekte, trendige Bezeichnung des Hobbys für jedermann. Und es ist eine ernste Sache, die mit Hingabe, Vehemenz und Akribie betrieben wird. Schließlich werden weitreichende Entscheidungen getroffen! Welches Rot oder doch lieber Lila? Oh, wahrscheinlich ist das mein Kardinalfehler: Bestimmt geht es um Farben, die Mauve oder Schlamm heißen. Die Qual der Wahl aus dem eigenen Sortiment der 140 Buntstifte hat schließlich weitreichende Folgen. 

Stifte raus!

 

Theorie ist eine Sache, Praxis die andere. (Und nicht der klingonische Mond.) Also habe ich es getan. Die Buntstifte rausgekramt, Anspitzer und Radiergummi ebenfalls und frisch ans Werk. Vielleicht waren die Ausgangsvoraussetzungen ein wenig unfair, denn ein Malbuch habe ich nicht gekauft, lediglich einen Auszug aus einem ausgedruckt. Stifte habe ich auch nicht gekauft, sondern genommen, was da war, wobei das vielleicht den Eventcharakter schmälert. Möglicherweise habe ich mir nicht ausreichend Mühe gegeben und hätte Schattierungen und Verwischungen einbauen sollen und bestimmt habe ich nicht den notwendigen Ernst an den Tag gelegt. Aber, he, ich habe es getan! 

Und weil ich gelesen habe, dass eigene Werke präsentiert werden sollen, hier ist es: 


Das Erlebnis, nun, es ist eher unbefriedigend. Die Entspannung ließ trotz des Zeitaufwandes und der Gestaltung des passenden, reizarmen Umfeldes auf sich warten. Im Gegenteil, mein Nacken verspannte sich und eigentlich wollte ich die Vorlage dauernd verändern, ergänzen und ganz anders machen. Auch das Drama um die adäquate Auswahl der passenden Farbe blieb aus. Ich fühlte mich dauernd in Grenzen, bzw. Linien verwiesen, die ich einzuhalten habe. Begrenzungen und Einschränkungen, dabei soll ich mich doch entspannen, kreativ sein und mich beglückt wohlfühlen. Jetzt und sofort. 

Warum wirkt es bei mir nicht.

 

Es ist halt kein Zeichenkurs. Es ist kontrollierte Schmalspurkreativität, die für manche, (wie es aussieht) sogar viele Menschen funktioniert. Sie fühlen sich bestätigt, kreativ und das größte Risiko besteht im Übertreten der vorgegebenen Linien. Vorkenntnisse, Fähigkeiten, Übung, Talente - nichts ist erforderlich, es geht einfach los und funktioniert. Der schnelle Erfolg ist gegeben. Für jeden und alle. Es ist einfach, problemlos, bequem und man erschafft etwas mit den eigenen Händen. Der Mensch wird zum vermeintlichen Schöpfer. Nun, eher zur Light-Version des Schöpfers inklusive reduzierter Kreativität - und passt damit prima in die Wünsche und Bedürfnisse der Zeit.

Ja, mag der gewiefte Ausmaler nun sagen, Gestaltungstherapie und künstlerische Betätigung sind doch nachgewiesenermaßen erholsam für den Geist, entspannend für den Körper und machen glücklich. Ja, sage ich, aber Kunst machen und Kunst anschauen, so einfach ist es dann doch nicht, da sollte und müsste man differenzieren. Auch Vergleiche mit Mandalas und Buddhismus werden bemüht, hinken aber beträchtlich hinterher. Wobei ich dem Ausmalen eine gewisse psychologische (Aus-)Wirkung nicht einmal absprechen mag und will. Nur, bei mir funktioniert es nicht. 

Was bleibt.

 

Ein neues Malbuch steht gleichbedeutend mit neuen Motiven und neuen Stiften, praktischerweise gibt es Bücher und Stifte als Bündel - und die Händler frohlocken, denn genau das ist der Punkt des Hypes: Es lässt sich Geld verdienen. Eine Menge Geld. Und ein Ende ist nicht in Sicht.

Ich für meinen Teil habe meine vielen Kohle-, Graphit- und Bleistifte in unterschiedlichen Härtegraden und Stärken gefunden. Und die werde ich nutzen. Ohne Vorgaben und Linien. Auf jungfräulich leerem Papier. Es hat doch etwas gebracht, das Experiment Malbücher für Erwachsene, nur nicht wie vorgesehen.